Bei unvollständiger Unterrichtung keine Fiktion

7. Jun 2024

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Bei unvollständiger Unterrichtung keine Fiktion

Die Fakten:

  • Die Äußerungsfrist des PR beginnt erst mit der vollständigen Unterrichtung zu laufen
  • Die Unterrichtung ist vollständig, wenn dem PR alle Kenntnisse vermittelt wurden, die zu einer sachgerechten Entscheidung erforderlich sind
  • Solange die Frist nicht läuft, kann auch keine Billigungsfiktion eintreten. Der PR muss allerdings innerhalb der Äußerungsfrist den Mangel der Unterrichtung rügen

Der Fall:
Dem Personalrat (PR) wurden im Rahmen eines Mitbestimmungsverfahrens bei Zuweisung lediglich Gesprächsnotizen von Auswahlgesprächen zur Verfügung gestellt – die vollständigen Bewerbungsunterlagen wurden nicht vorgelegt. Der Personalrat rügt die unzureichende Unterrichtung und verweigert deswegen zudem die Zustimmung wegen unzureichender Unterrichtung. Die Dienststellenleitung hielt die Zustimmungsverweigerung für unbeachtlich und ging von der Zustimmungsfiktion aus. Hiergegen wehrte sich der PR.

Die Entscheidung:
Das BVerwG hat entschieden, dass bei einer unvollständigen Unterrichtung des Personalrats über die mitbestimmungspflichtige Maßnahme die gesetzliche Äußerungsfrist des Personalrats nicht zu laufen beginnt. In einem solchen Fall kann auch die gesetzlich vorgesehene Billigungsfiktion nicht eintreten.

Die Unterrichtung ist dann umfassend und vollständig, wenn dem PR alle Kenntnisse vermittelt wurden, die er zu einer sachgerechten Entscheidung über den Gegenstand des Mitbestimmungsverfahrens benötigt. Der PR muss alle entscheidenden Gesichtspunkte kennen, die für die Ausübung des jeweiligen Mitbestimmungsrechtes von Bedeutung sein können.

Hält der PR die Unterrichtung für nicht ausreichend, so muss er allerdings innerhalb der gesetzlichen Äußerungsfrist den Mangel der Unterrichtung gegenüber der Dienststellenleitung rügen.

Im vorliegenden Fall hätte die Dienststellenleitung dem PR die Bewerbungsunterlagen vorlegen müssen, auf die sie ihre Auswahlentscheidung gestützt hat.

Praxishinweis:
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) beginnt die Äußerungsfrist ohne vollständige Unterrichtung nicht zu laufen – sodass auch die Billigungsfiktion nicht eintreten kann. Der PR muss die Äußerungsfrist allerdings dennoch beachten: Innerhalb dieser Frist muss die unvollständige Unterrichtung gerügt werden.

Begründet der Personalrat seine Zustimmungsverweigerung mit einer unzureichenden Unterrichtung (Verstoß gegen das Personalvertretungsgesetz) ist das unbeachtlich. Nicht die Maßnahme, etwa Einstellung, verstößt gegen das Personalvertretungsgesetz, sondern die Dienststellenleitung. Der Personalrat ist trotzdem geschützt, denn die Zustimmungsfrist beginnt bei einer unzureichenden Unterrichtung nicht zu laufen. Die Billigungsfiktion greift dann nicht.

(Bundesverwaltungsgericht, Entscheidung vom 18.04.2023 – 5 P 15.21)

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