Überstundenzuschläge – Jetzt auch für Teilzeitbeschäftigte

11. Apr. 2025

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Überstundenzuschläge – Jetzt auch für Teilzeitbeschäftigte

Die Fakten:

  • Eine Tarifregelung, die Überstundenzuschläge erst beim Überschreiten der Vollzeitarbeitszeit voraussetzt, behandelt Teilzeitbeschäftigte schlechter
  • Eine solche Regelung verstößt gegen das Verbot der Diskriminierung von Teilzeitbeschäftigten, wenn die Ungleichbehandlung nicht sachliche gerechtfertigt ist
  • Fehlen sachlichen Gründe, liegt zudem regelmäßig eine mittelbare Benachteiligung wegen des (weiblichen) Geschlechts vor, wenn innerhalb der betroffenen Gruppe der Teilzeitbeschäftigten erheblich mehr Frauen als Männer vertreten sind

Der Fall:

Eine Pflegekraft, die mit 40 % der Vollzeitarbeit teilzeitbeschäftigt ist, verlangte von ihrem Arbeitgeber eine Zeitgutschrift für Überstundenzuschläge im Umfang von etwa 39 Stunden. Daneben forderte sie noch eine angemessene Entschädigung in Höhe von drei Monatsgehältern aufgrund einer Benachteiligung wegen des Geschlechts. Nach dem anzuwendenden Haustarifvertrag gibt es Überstundenzuschläge in Höhe von 30 % erst, wenn die Arbeitszeit von Vollzeitbeschäftigten überschritten wird. Die Pflegekraft sieht sich als Teilzeitbeschäftigte unzulässig benachteiligt.

Die Entscheidung:

Das BAG ist dem gefolgt und hat der Pflegekraft die Überstundenzuschläge sowie eine Entschädigung in Höhe von 250 € zugesprochen.

Eine tarifvertragliche Regelung, die unabhängig von der individuellen Arbeitszeit für Überstundenzuschläge das Überschreiten der regelmäßigen Arbeitszeit eines Vollzeitbeschäftigten voraussetzt, behandele teilzeitbeschäftigte Beschäftigte wegen der Teilzeit schlechter als vergleichbare Vollzeitbeschäftigte. Eine solche Regelung verstoße gegen das Verbot der Diskriminierung von Teilzeitbeschäftigten nach § 4 Abs. 1 Teilzeit- und Befristungsgesetz, wenn die Ungleichbehandlung nicht durch sachliche Gründe gerechtfertigt ist. Sachliche Gründe für den unterschiedlichen Schwellenwert bei Überstundenzuschlägen gebe es vorliegend nicht. Die sich aus dem Verstoß gegen § 4 Abs. 1 Teilzeit- und Befristungsgesetz ergebende Unwirksamkeit der tarifvertraglichen Überstundenzuschlagsregelung führe zu einem Anspruch der Pflegekraft auf die eingeklagte Zeitgutschrift wegen Überstundenzuschlägen.

Auch die Entschädigung hat das BAG nach § 15 Abs. 2 AGG wegen einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot zuerkannt. Hier knüpfe zwar die tarifliche Regelung zu den Überstundenzuschlägen nicht unmittelbar an das Geschlecht an, sondern an die Arbeitszeit. Es liege allerdings eine mittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts vor. In der Gruppe der Teilzeitbeschäftigten seien im konkreten Fall Frauen nämlich mit einem Anteil von über 90 % vertreten. Den Entschädigungsbetrag in Höhe von 250 Euro hält das Gericht für erforderlich, aber auch ausreichend, um einerseits den durch die mittelbare Geschlechterbenachteiligung entstandenen immateriellen Schaden auszugleichen und andererseits die gebotene abschreckende Wirkung zu entfalten.

Praxishinweis:

Diese Entscheidung des BAG ist auf den TVöD oder den TV-L übertragbar. Beide Tarifverträge differenzieren hinsichtlich Mehrarbeit und Überstunden. Als Mehrarbeit gelten Arbeitsstunden, die Teilzeitbeschäftigte über ihre vereinbarte regelmäßige Arbeitszeit hinaus bis zur regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von Vollbeschäftigten leisten. Überstunden sind grundsätzlich hingegen auf Anordnung des Arbeitgebers geleistete Arbeitsstunden, die über die regelmäßige Arbeitszeit von Vollzeitbeschäftigten hinausgehen und nicht bis zum Ende der folgenden Kalenderwoche ausgeglichen werden. Zuschläge gibt es nur für Überstunden, nicht für Mehrarbeit. Damit werden Teilzeitbeschäftigte wegen ihrer Teilzeitarbeit benachteiligt und das ist – wie das BAG in der dargestellten Entscheidung ausführt – eine unzulässige Benachteiligung aufgrund der Teilzeitarbeit.

Die Ansprüche auf Überstundenzuschläge sind innerhalb der tariflichen Ausschlussfrist von sechs Monaten schriftlich beim Arbeitgeber geltend zu machen.

(BAG, Urteil vom Urteil vom 5.12.2024 – 8 AZR 370/20)

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