Die Fakten:
- Der Personalrat ist zu seiner Aufgabenwahrnehmung rechtzeitig und umfassend zu informieren
- Zur Aufgabenwahrnehmung gehört auch das Überwachen der Einhaltung von zugunsten der Beschäftigten geltenden Rechtsvorschriften
- Im Hinblick auf den Datenschutz kann in bestimmten Fällen nur die anonymisierte Information erforderlich sein
Der Fall:
Die Dienststellenleitung verlangt von einigen Beschäftigten, ihre Arbeitsfähigkeit nach § 3 Abs. 4 TVöD nachzuweisen. Der Personalrat begehrt – nach gescheiterten außergerichtlichen Gesprächen – beim Verwaltungsgericht (VG) die Verpflichtung der Dienststellenleitung u.a. zur Information, welche Beschäftigten aufgefordert wurden, ihre Arbeitsfähigkeit nach § 3 Abs. 4 Satz 1 TVöD nachzuweisen und die jeweiligen konkreten Tatsachen mitzuteilen, die die begründete Veranlassung im Sinne von § 3 Abs. 4 Satz 1 TVöD belegen. Das VG verpflichtete die Dienststellenleitung, den Personalrat entsprechend zu informieren, allerdings ohne Namensnennung. Dagegen richtet sich die Beschwerde der Dienststellenleitung.
Die Entscheidung:
Der HessVGH hat die Dienststellenleitung verpflichtet, dem Personalrat schriftlich die Namen der Beschäftigten, soweit sie der namentlichen Weitergabe zugestimmt haben, mitzuteilen, die sie innerhalb eines Jahres vor dem Eintritt der Rechtskraft der vorliegenden Entscheidung verpflichtet hat, ihre Arbeitsfähigkeit nach § 3 Abs. 4 Satz 1 TVöD nachzuweisen. Bei fehlender Zustimmung der betroffenen Beschäftigten sind die entsprechenden Informationen anonymisiert mitzuteilen. Zudem sind die konkreten Tatsachen zu benennen, die aus Sicht des Beteiligten die begründete Veranlassung im Sinne von § 3 Abs. 4 TVöD belegen, wobei individuelle Angaben zu Art und Umfang von Erkrankungen nur mitzuteilen sind, wenn auch diesbezüglich eine vorherige Einwilligung des jeweiligen Beschäftigten vorliegt.
Die Dienststellenleitung wird weiter verpflichtet, dieselben Angaben künftig quartalsweise, spätestens einen Monat nach Ablauf des Quartals, zu machen.
Der Informationsanspruch des Personalrats ergebe sich aus § 61 Abs. 1 Satz 1, 2 HPVG, wonach der Personalrat zur Durchführung seiner Aufgaben rechtzeitig und umfassend zu unterrichten ist. Dafür müsse
- eine Aufgabe des Personalrats vorliegen und
- die begehrte Information für das Wahrnehmen dieser Aufgabe erforderlich sein.
Zu den wahrzunehmenden Aufgaben des Personalrats zählen auch die allgemeinen Überwachungsaufgaben, etwa dass die zugunsten der Beschäftigten geltenden Rechtsvorschriften durchgeführt werden (§ 60 Abs. 1 Nr. 2 HPVG). Zwar berechtige § 3 Abs. 4 TVöD den Arbeitgeber, von Beschäftigten eine ärztliche Untersuchung zu verlangen. Allerdings nicht willkürlich, sondern nur bei „begründeter Veranlassung“. Diese Einschränkung diene dem Interesse der Beschäftigten. Deshalb sei § 3 Abs. 4 TVöD eine (auch) zugunsten von Beschäftigten geltende Tarifvorschrift, zu deren Überwachung der Personalrat aufgerufen ist.
Die Informationen, wen die Dienststellenleitung zum Nachweis der Arbeitsfähigkeit verpflichtet hat sowie die Kenntnis der konkreten Tatsachen, die die begründete Veranlassung hierfür bilden, seien zum Wahrnehmen der Überwachungsaufgabe (grundsätzlich) erforderlich. Das Mitteilen der Namen sei für das Wahrnehmen der Überwachungsaufgabe allerdings nicht (zwingend) erforderlich, sodass eine anonymisierte Mitteilung ausreiche, wenn die oder der Beschäftigte der Mitteilung des Namens nicht zugestimmt hat.
Praxishinweis:
Der allgemeine Informationsanspruch des Personalrats nach § 61 Abs. 1 Satz 1 HPVG wird – wie es der HessVGH unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des BVerwG hier aufzeigt – zweistufig geprüft:
- Ist eine Aufgabe des Personalrats gegeben?
In Betracht kommen alle Aufgaben, die dem Personalrat obliegen, etwa Beteiligungsrechte, die Überwachungsaufgaben oder allgemeine Aufgaben. Ist bereits keine Aufgabe des Personalrats gegeben, besteht kein Informationsanspruch. Ist eine Aufgabe des Personalrats gegeben, ist weiter zu prüfen: - Ist die begehrte Information zur Aufgabenwahrnehmung erforderlich?
Im Rahmen der Erforderlichkeit wird unter anderem geprüft, ob im Hinblick auf den Datenschutz ggf. nur anonymisiert zu informieren ist.
Personalräten ist anzuraten, wenn sie gegenüber der Dienststelle Information einfordern, sowohl ihrer Aufgabenstellung sowie die Erforderlichkeit für die Aufgabenwahrnehmung mitzuteilen.
Ergänzender Hinweis:
Der HessVGH hat noch eine weitere Einschränkung im Hinblick auf die Erforderlichkeit vorgenommen. Die ursprüngliche Verpflichtung durch das VG, die Informationen ab 1.1.2018 mitzuteilen, habe für die angestrebten aktuellen Prüfungen nur noch wenig Aussagekraft. Deshalb hat der HessVGH korrigiert: Die Verpflichtung zur Information wird auf ein Jahr vor Rechtskraft der Beschwerde-Entscheidung begrenzt. Personalräten ist anzuraten, ihren Informationsanspruch zusätzlich im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens geltend zu machen. Der Verfügungsgrund (Eilbedürftigkeit) ergibt sich bereits aus der langen Dauer des Hauptsacheverfahrens und der damit verbundenen Vereitelung das Überwachungsrechts bzw. der Aufgabenwahrnehmung in der Zwischenzeit.
Erfreulich ist, dass die Dienststellenleitung weiter verpflichtet wurde, dem Personalrat künftig quartalsweise, spätestens einen Monat nach Ablauf des Quartals, über Untersuchungsanordnungen zu informieren. Damit kann der Personalrat künftig seine diesbezüglichen Überwachungsaufgaben zeitnah wahrnehmen.
(Hessischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 7.3.2024 – 22 A 2036/19.PV)