Die Fakten:
- Der Löschanspruch aus Art. 17 Abs. 1 a) DS-GVO erfasst personenbezogene Daten, für deren Erhebung oder Verarbeitung der Zweck weggefallen ist
- Bisher konnte die Entfernung einer Abmahnung nur bei einem bestehenden Arbeitsverhältnis verlangt werden
- Nach der Entscheidung des LAG Baden-Württemberg vom 28.7.2023 kann die Entfernung einer Abmahnung auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnis verlangt werden
Der Fall:
Ein Auszubildender erhielt während seiner Ausbildungszeit eine Abmahnung. Im Prozess nach Beendigung des betroffenen Ausbildungsverhältnis verlangt er – unter anderem – die Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte.
Das Arbeitsgericht hat erstinstanzlich entschieden, dass einem solchen Begehren nach Beendigung des Ausbildungsverhältnis das Rechtsschutzbedürfnis fehlt. Dies deckt sich mit der (bisherigen) Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, wonach die Entfernung einer Abmahnung an das Bestehen des betroffenen Arbeitsverhältnisses geknüpft ist.
Das LAG Baden-Württemberg hat in seiner Entscheidung hingegen festgestellt, dass sich der Arbeitnehmer im vorliegenden Fall auf den Löschanspruch nach Art. 17 DS-GVO stützen und die Entfernung der Abmahnung auch nach Beendigung des Ausbildungsverhältnis verlangen kann. Zudem scheitere der Anspruch auch nicht an der Tatsache, dass die Personalakten nicht elektronisch, sondern in Papierform vorliegen.
Der „Löschanspruch“ nach Art. 17 DS-GVO:
Art. 17 DS-GVO regelt das Recht auf Löschung („Recht auf Vergessenwerden“). In Art. 17 Abs. 1 a) bis f) DS-GVO sind diverse Sachverhalte geregelt, in denen ein Löschanspruch besteht. In Art. 17 Abs. 3 a) bis e) DS-GVO sind Ausnahmen geregelt, wann der Löschanspruch nach Absatz 1 nicht anzuwenden ist.
Vorliegend relevant ist Art. 17 Abs. 1 a) DS-GVO:
„Die personenbezogenen Daten sind für die Zwecke, für die sie erhoben oder auf sonstige Weise verarbeitet wurden, nicht mehr notwendig.“
Nach dieser Regelung besteht ein Löschanspruch der betroffenen Personen gegenüber dem Verantwortlichen dann, wenn der Zweck, für den die Daten ursprünglich erhoben wurden, nicht mehr besteht – die Daten aus diesem Grund also nicht mehr erforderlich sind.
Nach dem Grundsatz in Art. 5 Abs. 1 b) DS-GVO müssen personenbezogene Daten „für festgelegte, eindeutige und legitime Zwecke erhoben werden“ (…). Sobald der Zweck nicht mehr besteht, entfällt somit die Grundlage für die Erhebung und Verarbeitung der personenbezogenen Daten. Dies entspricht auch dem Grundsatz der „Datenminimierung“ (Vgl. Art. 5 Abs. 1 c) DS-GVO.
Was ergibt sich daraus für Abmahnungen?
Abmahnungen dienen der Rüge eines beanstandeten Verhaltens und enthalten zudem eine Warnfunktion für die Beschäftigten. Den betroffenen Beschäftigten soll aufgezeigt werden, dass ihr Verhalten nicht toleriert wird und im Wiederholungsfall gravierende Sanktionen, wie beispielsweise eine Kündigung, drohen.
Nach Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses können diese Funktionen einer Abmahnung nicht mehr wirken – insoweit ist der Zweck für die Abmahnung und damit auch der Zweck für die diesbezüglich erforderliche Erhebung und Verarbeitung personenbezogener Daten (die Abmahnung selbst ist wegen des individuellen Bezuges ein personenbezogenes Datum) weggefallen und der Löschanspruch nach DS-GVO besteht.
Das LAG Baden-Württemberg hat zudem entschieden, dass die DS-GVO auch auf in Papierform geführte Personalakten bzw. die darin enthaltenen personenbezogenen Daten Anwendung findet. Art. 2 Abs. 1 DS-GVO setzt keine elektronische Verarbeitung der Daten voraus. Ein erfasstes „Dateisystem“ ist nach Art. 4 Nr. 6 DS-GVO jede „strukturierte Sammlung personenbezogener Daten, die nach bestimmten Kriterien zugänglich sind“ – und somit auch in Papierform strukturiert geführte Personalakten und die darin enthaltenen Informationen.
Praxishinweis:
Die Entscheidung des LAG ist noch nichts rechtskräftig – es bleibt abzuwarten, wie das BAG im Hinblick auf die bisherige Rechtsprechung zu Abmahnungen und dem Löschanspruch nach DS-GVO entscheiden wird (das Verfahren wird unter dem Aktenzeichen 8 AZR 215/23 fortgeführt).
Beschäftigte sollten die Ansprüche aus der Datenschutzgrundverordnung sowohl im bestehenden Arbeitsverhältnis als auch nach dessen Beendigung im Blick haben. Die Rechte aus der DS-GVO sind weitgehend und sollten auch genutzt werden.
Siehe hierzu auch unseren Beitrag zum „Anspruchs-ABC: Datenschutzgrundverordnung“.
(Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 28. Juli 2023 – 9 Sa 73/21)